Düren. Als er selbst dann ans Rednerpult schreitet, gibt es Beifall fast wie in einem Fußball-Stadion. Als käme der Torschützenkönig, der Deutschland eben zum EM-Titel geschossen hat. Der Abend ist zu diesem Zeitpunkt mehr als zwei Stunden alt, bis dahin gab es Reden, Reden, Reden. Humorvolle, nachdenkliche, unterhaltsame, feierliche Reden. Dem Anlass angemessen. Als ein Jahrhundert-Ereignis bezeichnete Dürens Bürgermeister Paul Larue die Auszeichnung zum Ehrenbürger, zuletzt vergeben 1961 an den damaligen Oberbürgermeister Heinrich Spies.
Und jetzt Josef Vosen. Ex-Bürgermeister, Bundestagsabgeordneter, Sozialdemokrat, Jahrgang 1943. Der Mann ist in Düren so bekannt wie Fußballstar Lukas Podolski in Köln. Als der Beifall für Vosen dann abebbt, steht er am Rednerpult, schaut in das voll besetzte Foyer des Rathauses und beginnt zu sprechen, als hätte er nie aufgehört. Seine Rede hält er frei, so wie er es immer gemacht hat. Er gestikuliert wie er es in seiner 16-jährigen Amtszeit als Bürgermeister getan hat. Er plaudert, unterhält, stimmt nachdenklich. Entschuldigen, sagt er, entschuldigen müsse er sich bei seiner Familie, die ihn viel zu wenig gesehen habe. Seine Frau, die beiden Kinder. Ich war immer weg, ruft er, aus heutiger Sicht ein großer Fehler. Und das, obwohl er auch Pädagogik studiert habe und wusste, dass die ersten drei Jahre im Leben eines Kindes besonders wichtig sind.
Dann schaut er wieder eindringlich ins Foyer. Dort sitzen all jene, die ihn eben in ihren Reden meist über den Klee gelobt haben. Natürlich ging es darum, was in seiner Amtszeit von 1984 bis 99 geschaffen wurde, etwa an Bauten. Wenn er in Düren unterwegs ist, dann immer auch als Schöppe Jupp, sagte Bürgermeister Paul Larue. Das Haus der Stadt etwa wurde in seiner Ägide gebaut, der Europaplatz, das Papiermuseum, die Pleußmühle wurde erhalten, die Fußgängerzone erweitert… Die Liste ist lang und hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Aber, sagt Vosen, ich habe das nicht alleine gemacht. Bestimmt nicht. Ich habe das mit euch gemacht, sagt er und meint damit ganz Düren, die Dürener Bürger.
Deren Sprache hat er immer gesprochen, auch das wurde in all den Reden Donnerstagabend betont, nicht nur ein Mal, immer wieder. Deshalb kann man davon ausgehen, dass Josef Vosen einst auch einen Platz am Figurenbrunnen in der Wirtelstraße bekommen wird dort hängen Dürener Originale.
Vosen ist erst der achte Dürener Ehrenbürger, der erste, der im 20. Jahrhundert geboren ist. Nun steht er in einer Reihe mit Otto von Bismarck und Heimatdichter Josef Schregel, dazu kommen Geistliche und andere Bürgermeister.
Vosen sei zupackend und engagiert, bisweilen sei er auch eigensinnig und laut gewesen. Ein Mann der Tat. Dass er Spuren hinterlassen hat, zeigten eigentlich alle Glückwunsch-Reden, egal ob von den Fraktionsvorsitzenden Karl-Albert Eßer (CDU), Verena Schloemer (Grüne) und Hubert Cremer (FDP) vorgetragen oder von anderen Weggefährten, etwa einem Nachbarn aus einem griechischen Dorf, wo Vosen mittlerweile eine zweite Heimat gefunden hat. Zudem waren ehemalige Politikerkollegen und Bürgermeister gekommen. Seine Auszeichnung zum Ehrenbürger geriet zu einem Stelldichein vieler Persönlichkeiten aus Düren und darüber hinaus.
Und dennoch war es keine pure Lobhudelei. Natürlich wurde darauf hingewiesen, dass Vosen Ecken und Kanten hatte und hat. Wahrscheinlich wäre er sonst auch nicht so weit gekommen. Mir wurde berichtet, dass es auch mal laut werden konnte, dann hat er sich durchgesetzt und danach war er wieder der Jupp, sagte Bürgermeister Larue. Und dass ihn Deutschlands dünnste Zeitung einst als faulsten Bundestagsabgeordneten der Republik bezeichnete, wurde humorig auch noch mal in Erinnerung gerufen. Mit dem sicher treffenden Zusatz: Wenn er nicht in Bonn saß, war er mit voller Kraft in Düren unterwegs, um sich um die Stadt zu kümmern. Er war Voll-Blutpolitiker, sagte Dietmar Nietan, heute MdB in Berlin, am Rande des Zeremoniells. Und immer für die Menschen da. Einer, der im Dürener Geschichtsbuch seinen Platz sicher hat. Das zu behaupten, ist nicht übertrieben.